Mainz (ots) –
Angesichts steigender Infektionszahlen und damit einhergehenden steigenden Long-Covid-Fällen können viele Kliniken kurzfristig keine Long-Covid-Patienten mehr behandeln. Das ergibt eine Umfrage von „Report Mainz“ unter den 35 größten Kliniken, die eine Spezialambulanz für Corona-Folgeerkrankungen betreiben. Auch bei Reha-Einrichtungen gibt es nach „Report Mainz“-Recherchen in vielen Fällen monatelange Wartezeiten.
Wartezeiten für Long-Covid-Ambulanzen teilweise bis 2023
Besonders gravierend ist die Lage in den Spezial-Ambulanzen. 28,5 Prozent der antwortenden Kliniken gaben an, dort erst im kommenden Jahr wieder Betroffene aufnehmen zu können, in einem Fall sogar erst ab Juni 2023. Bei 43 Prozent der Einrichtungen müssen sich Patienten bis Herbst gedulden und 28,5 Prozent können frühestens Ende August einen Platz anbieten. An der Umfrage hatten sich 40 Prozent der angefragten Kliniken beteiligt. In den Long-Covid-Ambulanzen können Betroffene sowohl eine genaue Diagnose des vielschichtigen Krankheitsbildes erhalten als auch eine ambulante Nachbetreuung der Symptomatik.
Verband fordert Ausbau der Long-Covid-Ambulanzen
Der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation, Christof Lawall, bestätigte die Recherchen von „Report Mainz“. Man benötige jetzt einen deutlichen Ausbau der Long-Covid-Ambulanzen in Deutschland, sagte er im „Report Mainz“-Interview: „Wir haben schon den Eindruck, dass viele Betroffene sehr lange allein gelassen werden und nicht zügig die Hilfe kriegen, die sie brauchen.“ Man müsse sich Sorgen machen, dass Menschen zu spät versorgt würden, Berufstätige „längerfristig arbeitsunfähig bleiben und nicht in den Job zurückkommen. Das hat wirtschaftliche Folgen für das Unternehmen und die Betroffenen selbst.“
Reha-Anträge „zu bürokratisch“
Lawall kritisierte zudem die „bürokratischen Antragsverfahren“ für Reha-Maßnahmen bei der Rentenversicherung und den Krankenkassen. Der Verbandschef forderte gegenüber „Report Mainz“, die Verfahren „deutlich zu entlüften“. Lawall sprach sich zudem dafür aus, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte eine Reha zukünftig auch direkt verordnen können sollten. Dadurch könnten die Verfahren deutlich beschleunigt werden. Es sei unverständlich, warum man „nach einer ärztlichen Verordnung noch eine Bewilligung“ brauche, so Lawall.
Die Deutsche Rentenversicherung erklärte auf „Report Mainz“-Anfrage, jeder Antrag werde „in aller Regel innerhalb von drei Wochen nach Eingang der vollständigen Unterlagen entschieden.“
Betroffene aber hatten „Report Mainz“ von wochen-, teils monatelangen Wartezeiten bei der Bearbeitung ihrer Anträge auf Reha berichtet.
Studie zeigt Versorgungslücke für Long-Covid-Patienten
Diplom-Psychologin Catherine Nichols Widmann, Leitende Neuropsychologin an der Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie des Universitätsklinikums Bonn, hat 1.200 Long-Covid-Betroffene befragt und die Studie für „Report Mainz“ exklusiv vorab ausgewertet. Demnach gaben 89 Prozent aller antwortenden Long-Covid-Betroffenen an, weitere Behandlung zu benötigen. Nur 49 Prozent erklärten, diese auch erhalten zu haben. Widmann sagte gegenüber dem ARD-Politikmagazin „Report Mainz“, dies deute auf eine große Versorgungslücke für Long-Covid-Patienten hin: „Es gibt einen Rückstau an Patienten, die Hilfe brauchen. Es ist einfach explodiert, die Anzahl von Patienten, die nach Covid-Infektion kardiologische, neurologische und andere Hilfen benötigen.“
Klinikchef warnt vor Chronifizierung der Krankheit
Chefarzt Robert Nechwatal von der Rehaklinik Heidelberg-Königstuhl warnte im Gespräch mit „Report Mainz“, ein langes Warten auf die Therapie könne dazu führen, dass Long Covid bei einigen Patienten schlechter zu behandeln sei: „Wenn ein Müdigkeits-Syndrom erst mal monatelang besteht, sich verselbstständigt, immer schlimmer wird, ist es therapeutisch viel schlechter zu behandeln. Wir gehen davon aus, dass sich das dann chronifiziert.“
Bundesgesundheitsministerium verweist auf Arbeitsstab
Konfrontiert mit den „Report Mainz“-Recherchen erklärte das Bundesgesundheitsministerium, es bestehe keine Möglichkeit, „unmittelbaren Einfluss auf die Hochschulkliniken auszuüben“, etwa „im Hinblick auf den Betriebsablauf“. Die Deutsche Rentenversicherung arbeite zudem in „Selbstverwaltung“. Das Ministerium habe aber einen Arbeitsstab geschaffen, „in dem unter anderem Fragen der bedarfsgerechten Versorgung bearbeitet werden“.
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