Mainz (ots) –
Sitzt Klaus Bräunig seit über 50 Jahren unschuldig im Gefängnis oder hat er zwei Frauen brutal ermordet? Es gibt keine Beweise, nur umstrittene Geständnisse. Die SWR Dokumentation rollt den Fall neu auf. Ist das Gerichtsurteil heute noch haltbar oder sitzt Bräunig zu Unrecht seit über einem halben Jahrhundert hinter Gittern?
1970. In der Nacht vom 12. auf den 13. April werden die Mainzer Kinderärztin Margot Geimer und ihre 17-jährige Tochter Dorothee in ihrem Haus erstochen. Der brutale Doppelmord sorgt bundesweit für Schlagzeilen und in Mainz für Entsetzen und Angst. Denn überall in der Stadt treiben sich Spanner vor den Schlafzimmerfenstern junger Frauen herum. War es einer von ihnen? Welches Motiv gibt es für den Mord an Margot und Dorothee Geimer? Die Polizei tappt im Dunkeln. Keine Spuren am Tatort, keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens. Es ist unklar, wie der oder die Täter ins Haus gekommen sind. Die Tatwaffe wird nicht gefunden. Die Polizei sucht nach Zeugen, verfolgt hunderte von Spuren. Der Familienvater wird zunächst verdächtigt, doch er war auf Dienstreise, hat ein Alibi. Die ermordete Dorothee nahm Drogen. Steckt die Drogenszene dahinter? Gab es Unregelmäßigkeiten in der Praxis der Kinderärztin? Der Druck auf die Kriminalpolizei wächst von Tag zu Tag.
Vernehmungen ohne Verteidiger – widerrufene Geständnisse
Zwei Monate später endlich der Durchbruch. Ein Spanner wird auf frischer Tat ertappt und festgenommen: Klaus Bräunig, ein Hilfsarbeiter, 26 Jahre alt. Vier Tage nach seiner Verhaftung legt er ein Geständnis ab. Noch einmal vier Tage später widerruft er alles. Um am selben Tag wieder zu gestehen. Ein Hin und Her, so geht das wochenlang. Beinahe pausenlos wird Bräunig, der einen geringen Intelligenzquotienten hat, vernommen. Ohne Verteidiger – er weiß nicht, dass er ein Recht auf juristischen Beistand hat. Der Gefängnisseelsorger sorgt schließlich dafür, dass Bräunig einen Pflichtverteidiger bekommt. Bräunig bleibt derweil bei seinem Widerruf – bis heute. Der Mörder, sagt er, laufe draußen noch frei herum. Er habe nur gestanden, weil er nicht mehr konnte, weil er wollte, dass die Verhöre endlich aufhören.
Das Urteil ist von Anfang an umstritten
Am 19. Juli 1972 wird Bräunig zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Allein auf Grundlage seiner Geständnisse. Handfeste Beweise gibt es nicht, keine Blutspuren, die ihm zugeordnet werden könnten, keine Fingerabdrücke. Nichts. Niemand hat ihn je am Tatort gesehen, auch Gegenüberstellungen führen zu nichts. Bei einer Tatrekonstruktion vor Ort kann Bräunig nicht einmal zeigen, wie er in das Haus gekommen sein will. Es ist ein zweifelhaftes und von Anfang an umstrittenes Urteil.
Hohe Hürden für ein Wiederaufnahmeverfahren
Mittlerweile ist Klaus Bräunig 78 Jahre alt, er sitzt seit 52 Jahren im Gefängnis. Er gilt als Tatleugner – und deshalb nach wie vor als gefährlich. Doch Bräunig bleibt dabei: „Ich war das nicht!“ Und er kämpft weiter um sein Recht. Schon seit Jahrzehnten beschäftigt der Fall die Justiz, immer wieder gab es Versuche ihn neu aufzurollen und ein Wiederaufnahmeverfahren zu erreichen. Aber die Hürden sind hoch, man braucht neue Sachverhalte, Beweise, dass Bräunig es nicht gewesen sein kann.
SWR Doku rollt den Fall neu auf
Jetzt hat die Münchner Rechtsanwältin Dr. Carolin Arnemann den Fall Bräunig übernommen, sie ist Expertin für Wiederaufnahmeverfahren. Und sie will den Mordfall Geimer wieder vor Gericht bringen. Gemeinsam mit Carolin Arnemann rollt der SWR den Fall noch einmal auf. Gibt es neue Spuren? Finden sich Ermittlungsansätze, die damals übersehen wurden? Wie dünn ist das Eis, auf dem sich das Urteil gründet? Sitzt Klaus Bräunig schon sein ganzes Leben zu Unrecht im Gefängnis?
Crime Time – Der Fall Klaus Bräunig
Drei Folgen ab Dienstag, 28. Juni 2022, in der ARD Mediathek: https://www.ardmediathek.de/
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