Berlin (ots) –
Die Kampagne „Keinen Meter mehr“ macht mobil: Eine Delegation von Bürgerinnen und Bürgern, Leverkusens OB Uwe Richrath, dem Landtagsabgeordneten Rüdiger Scholz und zahlreichen Ratsvertretern aus Leverkusen hat heute in Berlin Tausende an Verkehrsminister Dr. Volker Wissing adressierte Briefe am Bundesverkehrsministerium übergeben.
Kilometerlange Staus und ein tägliches Verkehrschaos in der ganzen Stadt, immense gesundheitliche Gefährdung der Bürgerinnen und Bürger und eine große Belastung für die Umwelt: Mit der Protestkampagne „Keinen Meter mehr“ wehrt sich Leverkusen gegen die weitreichenden Auswirkungen des geplanten Autobahnausbaus.
Experten prognostizieren: Die Stadt wird über ein Jahrzehnt im völligen Verkehrschaos versinken. Mediziner warnen zudem eindringlich „Das Projekt ist lebensgefährlich“. Gefordert wird ein Stopp des geplanten oberirdischen Ausbaus der A1 und A3, der eine Autobahn von bis zu 16 Spuren und bis zu 73 Metern Breite durch die Stadt bedeuten würde.
Heute Mittag hat das Bündnis, das von der großen Mehrheit des Rates der Stadt unterstützt wird, gegen die Pläne der Bundesregierung demonstriert. In Berlin überreichten Delegierte der Protestaktion in Anwesenheit etlicher Leverkusener Ratsmitglieder, des Landtagsabgeordneten Rüdiger Scholz und des Oberbürgermeisters Uwe Richrath tausende an Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing adressierte Bürgerbriefe. Zudem machten die Demonstranten mit Schildern, Fahnen und Plakaten sowie Atemschutzmasken auf die Sorgen und Nöte der Menschen in dem bedeutenden rheinischen Industriestandort aufmerksam. Ihr großes Ziel: ein Moratorium zu erwirken, um die Planungen für einen oberirdischen Ausbau der A1 und A3 zu stoppen.
Entscheidung betrifft alle Menschen in der Stadt und Region
„Diese Entscheidung betrifft alle Menschen in unserer Stadt und der Region. Daher appellieren wir an die Bundesregierung, endlich die Gesundheit und Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürgern in Leverkusen zu berücksichtigen“, unterstreicht Oberbürgermeister Uwe Richrath. Ratsmitglied und Anwohnerin Gisela Kronenberg ist verärgert „dass die Planungen – trotz des Karlsruher Urteils – keinerlei Rücksicht auf die kommenden Generationen nehmen.“ Das Bundesverfassungsgericht fordert eine Abwägung zugunsten der kommenden Generationen bei fortschreitendem Klimawandel und betont die Pflicht zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und den vorhandenen Ressourcen. „Es geht um unser alltägliches Leben, die Gesundheit der Menschen, die Wohnqualität und die Umwelt in Zeiten des Klima- und Mobilitätswandels. Sollte man an dieser Entscheidung so festhalten, wird sie das Leben aller Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt – aber auch in der Region – über viele Jahrzehnte negativ beeinflussen und belasten“, mahnen unisono die vertretenen Ratsmitglieder
Monströse Stelze quer durch die Stadt
Denn die Auswirkungen dieses Mammut-Bauprojekts werden weitreichend sein: Ab dem Jahr 2029/30 sollen im dritten Abschnitt das Kreuz und die A3 zwischen der Ausfahrt Leverkusen und Leverkusen-Opladen bei laufendem Verkehr ausgebaut werden. Als Bauabschnitt Zwei soll der Ausbau der A1 folgen, die unter anderem auf einer doppelt so breiten gigantischen Stelze mit Ein- und Ausfädelspuren quer durch die Stadt geführt werden soll. Zudem ist eine Erweiterung der Autobahn A3 auf bis zu 63 Meter plus zehn Meter Bau- und Revisionsstreifen geplant – von derzeit sechs Spuren auf zwölf Spuren plus zwei Standstreifen sowie Ein- und Ausfädelspuren. Nach Abschluss der Bauabschnitte Zwei und Drei ist vorgesehen, die A3 ab der Ausfahrt Opladen in Richtung Norden massiv zu erweitern.
Bund soll Verkehrswende zugunsten des Klimaschutzes vorantreiben
Da sich die Bauzeit schon im ersten Bauabschnitt mehrfach verzögert hat und sich nun wegen neuer EU-Lärmschutzrichtlinien um ein weiteres Jahr verschiebt, wird sich der ursprüngliche Terminplan für den Beginn der einzelnen Bauphasen um viele Jahre nach hinten verschieben. „Je länger es dauert, desto unsinniger wird der Ausbau“, so die Iniative. Die Bürger- und Ratsinitiative nimmt die neue Bundesregierung mit ihrem Versprechen in die Pflicht, die Verkehrswende zugunsten des Klimaschutzes voranzutreiben und somit die Anzahl der Autos auf den Straßen zu minimieren. „Wenn der komplette Bau irgendwann rund um das Jahr 2050 abgeschlossen ist, hat sich der Ausbau der Autobahnen längst als überflüssig erwiesen“, ist sie sich sicher. „Dann wird sich der fast ungenutzte Betonklotz, dem 25 Hektar wertvoller urbaner Boden zum Opfer gefallen sind, wie ein riesiger Krake durch unsere Stadt ziehen und innerstädtische Verkehrsverbindungen zwischen den Stadtteilen und Wohnquartieren weiterhin verhindern.“
Täglicher Verkehrskollaps und immense Gesundheitsgefährdung
Bis dahin prognostizieren Fachleute jedoch erst einmal einen täglichen Verkehrskollaps während der langen Ausbauphase, der nicht nur die Menschen in Leverkusen, sondern auch in den umliegenden Städten und Gemeinden treffen wird. Geplant ist nicht nur, alle Umleitungs- und Bauverkehre quer durch die Stadt zu führen, sondern bei (Teil-) Sperrungen auch den gesamten Verkehr der A3.
Weitaus schwerer wiegt allerdings die massive gesundheitliche Belastung, die mit dem erhöhten Verkehrsaufkommen einhergeht. „Das Projekt ist lebensgefährlich“, bringt es der Leverkusener Lungenfacharzt und Allergologe Norbert Mülleneisen auf den Punkt. „Die Luftverschmutzung in Leverkusen ist bereits zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr tolerabel.“ Von der Bauzeit einmal ganz abgesehen, werde diese durch die verbreiterte Autobahn noch deutlich zunehmen. Deshalb fordert der renommierte Facharzt und Gründer des Asthma- und Allergiezentrums Leverkusen mit Nachdruck eine unterirdische Tunnellösung statt des oberirdischen Ausbaus – „und zwar sofort. Die Menschen in Leverkusen haben keine Zeit mehr, zu warten.“
Betroffene Anwohnerinnen und Anwohner werden enteignet
Dass der Vorschlag eines Tunnels bereits im frühen Planungsstadium aus offenbar wirtschaftlichen Gründen verworfen wurde, ist für die Mitglieder der Protestaktion „Keinen Meter mehr“ noch immer unverständlich. Diese gut umsetzbare, wenngleich teurere Lösung wäre auch für die direkten Anwohnenden der Großbaustelle eine immense Entlastung. Für diese bedeutet das Bauvorhaben nämlich nicht weniger als eine direkte Bedrohung ihrer Existenz. Wer nicht bereit ist, sein Grundstück an den Bund zu verkaufen, wird schlichtweg enteignet.
Dieses Schicksal droht auch Rolf Luxem, dessen Grundstück direkt an der Schallschutzmauer der A3 liegt. Seit über 30 Jahren lebt der 70-Jährige im Stadtteil Wiesdorf. Wo seit Jahrzehnten seine Laube und das Gartenhaus stehen, soll in einigen Jahren eine weit mehr als zehn Meter hohe Mauer seinen Garten durchziehen. „Das ist einfach unvorstellbar“, sagt Rolf Luxem fassungslos. Vor Jahren hat er sich eine Solaranlage aufs Dach bauen lassen, um die Sonnenenergie nutzen zu können. „Wenn der Ausbau kommt, haben wir allerdings gar kein Sonnenlicht mehr im Garten.“ Verkaufen kommt für ihn nicht in Frage – „dafür hängen meine Frau und ich viel zu sehr an unserem Haus, das wir eigenhändig umgebaut und in dem wir unsere Enkelkinder großgezogen haben.“
Er und die anderen Betroffenen fühlen sich hilflos, wütend und vom Staat übergangen, sagt der gebürtige Leverkusener. Er setzt auf die Unterstützung möglichst vieler engagierter Mitstreiterinnen und Mitstreiter. „Denn das Thema sollte jeden einzelnen der 168.000 Menschen in Leverkusen etwas angehen.“
Alle Informationen zur Protestkampagne gibt es unter https://keinenmetermehr.de
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