Frankfurt (ots) –
Das Jahr 2021 geht zu Ende – wie war das Jahr aus Sicht der Gewerkschaft?
2021 stand natürlich auch für den dbb Hessen im Zeichen der Corona-Pandemie. Aber deswegen können wir ja nicht den Betrieb einstellen, zumal mit den Wahlen der Personalräte und der Einkommensrunde bereits zu Jahresbeginn zwei große Themenblöcke feststanden, die wir erfolgreich gestalten wollten.
Ist das dem dbb Hessen gelungen? Beginnen wir vielleicht mal mit den Personalratswahlen…
Insgesamt war das Ergebnis erneut erfreulich. Wie schon bei den vergangenen Wahlen 2016 konnten viele Fachgewerkschaften des dbb Hessen Zuwächse an Stimmen und Sitzen verzeichnen, wobei die Veränderungen natürlich unterschiedlich ausgeprägt und das Wahlverfahren diesmal besonders aufwändig waren.
Weshalb war das Verfahren aufwändig?
Aus unseren Mitgliedsverbänden haben wir immer wieder gehört, dass es unheimlich schwierig war, die Beschäftigten unter Pandemiebedingungen mit dem Wahlgeschehen zu erreichen. In vielen Dienststellen befand sich das Gros der Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice. Da wird es schwierig mit dem persönlichen Kontakt.
Wie bewerten Sie die Einkommensrunde?
Im Gesamtvolumen wurde ein Ergebnis von über 7 Prozent bei einer Laufzeit von 26 Monaten erreicht. Der nominale lineare Anstieg der Gehälter beträgt über die Laufzeit 4 Prozent. Die Corona-Prämie und der Mindestbetrag beim zweiten Erhöhungsschritt verbessern diese Marke aber und führen vor allem in den unteren Entgeltgruppen zu deutlich höheren Zuwächsen.
Die Corona-Prämie wirkt sich jedoch -wie andere Einmalzahlungen auch- nicht tabellen- bzw. rentenwirksam aus. Das ist eindeutig ein Nachteil. Doch abseits der direkten Lohnerhöhungen konnten wir viele Punkte aushandeln, die sich strukturell auswirken und die Rahmenbedingungen verbessern.
Was meinen Sie konkret?
Es konnten viele Verbesserungen erreicht werden, die das Land Hessen als Arbeitgeber im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft attraktiver machen. Für Auszubildende gibt es künftig zum Beispiel eine unbefristete Übernahmegarantie, wenn sie die Abschlussprüfung mit befriedigend oder besser bestehen. Außerdem werden die Ausbildungsvergütungen angehoben und die Erfahrungsstufenverläufe verbessert. Pflegekräfte im Strafvollzug erhalten nun ebenfalls eine monatliche Zulage, es wird einen Digitalisierungstarifvertrag geben und die Gewerkschaften sollen ein sog. Digitales Schwarzes Brett erhalten.
Mit all diesen Bestandteilen heben wir uns nicht nur monetär deutlich vom Tarifvertrag in den anderen Bundesländern ab. Hinzu kommt, dass es nur in Hessen zusätzlich den stufengleichen Aufstieg, die Kinderzulage und das Hessenticket gibt.
Insgesamt gibt es im Hessischen Tarifvertrag weit über 100 Besserstellungen im Vergleich zum Tarifvertrag der Länder (TV-L). Das sollte man auch nicht unerwähnt lassen.
(Alle Veränderungen nachzulesen hier: 211015_flugblatt_ekr21_Nr19.pdf (dbb-hessen.de) (https://www.dbb-hessen.de/fileadmin/user_upload/www_dbb-hessen_de/PDF/2021/211015_flugblatt_ekr21_Nr19.pdf))
Wir haben als dbb Hessen bei dieser Einkommensrunde natürlich erneut gefordert, dass die Ergebnisse der Tarifverhandlungen auch auf die Beamten zeitgleich und systemkonform übertragen werden.
Das entsprechende Gesetz hierzu ist zwischenzeitlich vom Landtag beschlossen worden.
Auch hier zeigte sich leider der Nachteil einer Corona-Prämie als Einmalzahlung, denn die wird auf die Versorgungsempfänger nicht übertragen werden. Das muss ein einmaliger Vorgang bleiben.
Am 30. November entschied der Verwaltungsgerichtshof in Kassel, dass die Besoldung der Beamten in Hessen verfassungswidrig ist. Wie kam es dazu?
Die Festlegungen der schwarz-grünen Landesregierung im Koalitionsvertrag von 2014 sahen eine Nullrunde und eine Beihilfekürzung 2015 sowie Deckelungen der Besoldungsanpassungen auf 1 Prozent für die Folgejahre bis 2018 vor. Da wir dieses Vorgehen bereits damals als verfassungswidrig einstuften, haben wir dagegen geklagt. Konkurrierende Gewerkschaftsorganisationen haben das damals nicht so gesehen, sie sahen auch keinerlei Erfolgsaussichten und haben selbst nichts unternommen.
Lediglich eine Gewerkschaft unter dem Dach des konkurrierenden Verbands hat später versucht, auf den Zug aufzuspringen. Allerdings ohne jede eigene Initiative, sondern nur durch Gewährung von Rechtsschutz. Auch in den Stellungnahmen zu den seitherigen Besoldungsgesetzen oder den Publikationen war außer bei uns und unseren Fachgewerkschaften nichts vom Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zu lesen. Aber die inzwischen ergangenen Urteile des Bundesverfassungsgerichts bestätigten unsere Rechtsauffassung zunehmend deutlich. Vor allem unser Klageansatz, der Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot, wurde immer enger konkretisiert. Dass unsere Klage nun beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof erfolgreich war, ist ein echter Paukenschlag.
Warum?
Weil es unsere Bemühungen seit Ende 2015, unseren enormen personellen und finanziellen Aufwand im Interesse der hessischen Beamtenschaft, krönt. Außerdem können die Festlegungen des VGH in unserer Sache durchaus als konkrete Ergänzung der Rechtsprechung des BVerfG vom Mai 2020 für alle anderen Besoldungsgesetzgeber in Deutschland gesehen werden, denn auch dort gibt es enormen Handlungsbedarf.
Aber zurück zu Hessen – Was müsste sich nach Ihrer Ansicht ändern?
Nach unserer Bewertung muss nun annähernd die gesamte Besoldungsstruktur angepackt werden, denn die Unteralimentation hat ein solches Ausmaß, dass es keinesfalls ausreichen wird, nur die unteren Besoldungsgruppen deutlich anzuheben. Das wird auch daran deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof gestern in weiteren Verfahren festgestellt hat, dass die Besoldung eines Professors in W 2 verfassungswidrig ist.
Wie geht es nun weiter?
Nachdem zunächst aus Reihen der Landesregierung eher verstörende Signale zu vernehmen waren, scheint inzwischen ein großer Konsens zu herrschen, dass zeitnah etwas unternommen werden muss. Das haben Ministerpräsident Volker Bouffier und Innenminister Peter Beuth in der letzten Plenarsitzung eindeutig festgestellt. Mit Innenminister Beuth hatten wir ja schon im April die Vereinbarung getroffen, dass wir uns, sobald das Urteil des VGH da sein wird, zusammensetzen und Lösungswege erörtern wollen.
Aber das Bundesverfassungsgericht muss die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs noch bestätigen. Das kann doch sicher noch dauern?
Das wird wohl noch dauern. Jedoch ist unbedingt davon auszugehen, dies so geschehen wird. Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof sich exakt an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientiert. Außerdem hat das BVerfG seit 2015 seine Vorgaben ja nicht mehr verändert, sondern stattdessen immer weiter bestätigt und konkretisiert.
Wir sind jedenfalls bereit, gemeinsam mit der Landesregierung eine konstruktive Lösung zu erarbeiten.
Glauben Sie, dass das gelingt?
Die Erklärungen, die Ministerpräsident Bouffier und auch Innenminister Beuth bei der Plenarsitzung am 8. Dezember abgaben, waren sehr eindeutig und stimmen uns zuversichtlich. Ich denke, dass die Landesregierung den Ernst der Lage sehr wohl erkannt hat und den Handlungszwang ebenso sieht wie wir.
Innenminister Beuth hat zuletzt angekündigt, militanten Impfgegnern mit Härte begegnen zu wollen. Was halten Sie davon?
Wir begrüßen diese Aussage. Der Rechtsstaat muss gerade in solchen Situationen seine Handlungsfähigkeit beweisen, sonst macht er sich unglaubwürdig. Das hat sich ja auch schon bei anderen Gelegenheiten gezeigt. Auch wenn es nach wie vor eine sehr persönliche, freiheitliche Entscheidung jedes Bürgers ist, wie er mit dem Impfangebot für sich umgeht, verurteilen wir verantwortungsloses und rücksichtsloses Verhalten gegenüber anderen mit allem Nachdruck. Einschüchternde, bedrohende oder gar tätliche Übergriffe gegen Andersdenkende oder Sicherheits- und Ordnungskräfte verurteilen wir auf das Schärfste.
Sie meinen die Ausschreitungen auf dem Frankfurter Opernplatz?
Ja, zum Beispiel. Oder den Wurf eines Blumenkübels vom Eisernen Steg auf eine Polizistin, als diese Coronaauflagen kontrollieren wollte und nur sehr knapp verfehlt wurde. Aber der Staat muss nicht nur die Bürger schützen, die sich gesetzeskonform verhalten. Er muss auch die eigenen Beschäftigten schützen. Das Thema Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst treibt uns ja schon seit Jahren um. Gemeinsam mit der Uni Gießen, der Kriminologin Prof. Britta Bannenberg, haben wir in zwei großen Studien versucht, ein Lagebild zu erstellen und tiefergehende Erkenntnisse zu erlangen.
War das denn bislang unklar?
Kurz gesagt die Forschungslage. Die Gefährdung von Polizei und Rettungskräften war bereits gut erforscht, bei vielen anderen Berufsgruppen gab es so gut wie keine Datenlage. Das wollten wir ändern. Und wir wollten unser Bekämpfungsmodell stärken und unsere Forderungen bekräftigen.
Ist das gelungen?
Ich denke schon – inzwischen rücken auch andere gefährdete Berufsgruppen wie Lehrer, Gerichtsvollzieher, Beschäftigte im Justizvollzug aber auch in Jobcentern und Arbeitsämtern in den Fokus der politischen Entscheidungsträger.
In wie fern?
In diesem Jahr hat die Generalstaatsanwaltschaft eine sogenannte Rundverfügung erlassen. Danach werden in Hessen Übergriffe zum Nachteil von Polizeibeamten, Rettungskräften, Amtsträgern und gleichgestellten Personen künftig konsequenter verfolgt. Die Verfügung regelt, dass Verfahrenseinstellungen nach dem Opportunitätsprinzip nur noch nach sorgfältiger Prüfung und in besonders zu begründenden Ausnahmefällen erfolgen dürfen. Damit wird eine Forderung des dbb Hessen erfüllt, wofür wir sehr dankbar sind.
Auch die gestartete Einführung eines Notrufsystems für Gerichtsvollzieher sowie ein finanzieller Zuschuss des Landes für den Kauf von Schutzwesten für diese Berufsgruppe gehen aus unserer Sicht in die absolut richtige Richtung und sind das Ergebnis unserer Bemühungen gemeinsam mit unserer Fachgewerkschaft DGVB. Man muss zwar dicke Bretter bohren, aber irgendwann kommt man doch ans Ziel.
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