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4. Egon Schiele-Symposium im Leopold Museum

Wien (ots) –

Mit Vorträgen von Christian Bauer, Gemma Blackshaw, Verena Gamper, Adam Kaasa, Jane Kallir, Elisabeth Leopold u. a.

Am 3. Dezember luden Direktor Hans-Peter Wipplinger und Verena Gamper, Leiterin des Leopold Museum Forschungszentrums, zum 4. Egon Schiele gewidmeten Symposium. Aufgrund des aktuellen Lockdowns fand die ganztägige Veranstaltung als Online-Event statt, die Teilnahme war kostenfrei via Streaming Link möglich.

„Egon Schiele ist ein so vertrauter Name geworden, dass es geradezu notwendig ist, seine Kunst immer wieder neu zu betrachten und aus differenzierten Blickweisen zu befragen. Das Leopold Museum strebt dies mit dem 4. Egon Schiele-Symposium abermals an. Dergestalt haben sich auch bei dieser Ausgabe namhafte internationale wie österreichische Vortragende dem Werk und Wirken des Künstlers aus verschiedenen Perspektiven genähert.“

Hans-Peter Wipplinger, Direktor Leopold Museum

„Die Vortragenden durchmessen mit ihren Blicken auf Schiele ein weites Feld, das von der Rekonstruktion historischer Ausstellungsbeteiligungen über die Schnittstelle zwischen Kunst und Medizin, die Auseinandersetzung mit Künstlern wie Gustav Klimt und Erwin Osen bis hin zu neuesten materialtechnologischen Erkenntnissen reicht. Die Vielfalt der Ansätze belegt die Vitalität von Schieles Werk, die zu beleuchten wir uns in unserer wissenschaftlichen und kuratorischen Arbeit am Leopold Museum verpflichtet fühlen.“

Verena Gamper, Kuratorin | Leiterin Leopold Museum Forschungszentrum

Insgesamt rund 230 Personen nahmen an der interaktiven Veranstaltung teil, weitere Interessierte können die Vorträge noch bis 12. Dezember 2021 auf der Website des Leopold Museum ansehen. Die Beiträge wurden simultan ins Deutsche bzw. Englische übersetzt – der gewünschte Audiokanal konnte im Stream angewählt werden – sodass ein internationales Publikum erreicht werden konnte.

Zum Auftakt hielt Franz Smola, Kurator der Österreichischen Galerie Belvedere Wien, den Vortrag „Egon Schieles Gemälde Jugendströmung– Neue Erkenntnisse zu Schieles Beitrag auf der Internationalen Kunstschau Wien 1909.“ In seinen Ausführungen ging Smola der Frage nach, welche Werke von Schiele tatsächlich im Rahmen dieser ersten, fotografisch spärlich dokumentierten Werkpräsentation des Künstlers in Wien zu sehen gewesen waren. Im Zuge seiner Forschungen konnte Smola die Identität eines verschollen geglaubten Werks belegen: Unter dem Titel Danae (1909) bekannt, handle es sich tatsächlich um das Gemälde mit dem Originaltitel Jugendströmung (1909), welches sich heute in der Sammlung der Lewis Collection befindet.

Impulsgebend für die Präsentation von Sandra Tretter, Stv. Direktorin der Klimt-Foundation Wien, war die Tatsache, dass sich sowohl in der Sammlung der Klimt-Foundation als auch in jener des Leopold Museum Ausstellungskataloge der Wiener Kunstschau in Berlin 1916 befinden, die aufgrund falsch gedruckter Bildbeschriftungen mit eigenhändigen Korrekturen von Egon Schiele versehen worden waren. Tretter skizzierte gemeinsame Ausstellungsbeteiligungen der beiden Künstler und beleuchtete sie anhand von erhaltener Korrespondenz, Pressestimmen aus Österreich und Deutschland sowie diverser Archivalien. Künstlerische Berührungspunkte wurden nachgezeichnet, beginnend bei Klimt als viel zitiertem Mentor Schieles über benachbarte Atelieradressen in Wien bis hin zum abrupten Tod beider Künstlerpersönlichkeiten im Jahr 1918.

Unter dem Titel eines Schiele-Zitats – „Ich bin durch Klimt gegangen“ – lag der Fokus von Elisabeth Leopolds Beitrag auf den Werdegängen der beiden Künstler, Klimts Förderung des wesentlich jüngeren, aufstrebenden Schiele und ihrer künstlerischen wie auch menschlichen Verbindung. Schieles Gemälde Eremiten (1912) und Klimts Fakultätsbilder – Philosophie (1900-1907), Medizin (1901-1907) und Jurisprudenz (1903-1907) – sowie sein Beethovenfries (1902) brachte Leopold in ihrem Beitrag in Zusammenhang mit El Grecos metaphysischer Malerei.

Anschließend präsentierte Elisabeth Dutz, Kuratorin der Albertina Wien, eine Genealogie von Egon Schieles heute zahlreich vorhandenen Totenmasken sowie andere neue Forschungsergebnisse im Rahmen der aktuellen Aufarbeitung des Egon Schiele Archivs der Albertina. Dutz stellte die Geschichte des im Jahr 1948 von Max Wagner der Albertina vermachten, 1448 Inventarnummern umfassenden Archivs vor, vermittelte einen Überblick über Inhalte sowie Objekte, und hob einige Highlights hervor.

Verena Gamper, Kuratorin und Leiterin des Leopold Museum Forschungszentrums, skizzierte in ihrem Vortrag die zentralen Forschungsfragen der Ausstellung The Body Electric. Erwin Osen – Egon Schiele, die sie gemeinsam mit Gemma Blackshaw heuer im Leopold Museum kuratiert hatte. Den Entstehungshintergrund von neu entdeckten Patient*innendarstellungen Erwin Osens rekonstruierend und sie mit anderen, in medizinischen Einrichtungen entstandenen Werken der beiden Künstler kontextualisierend, skizzierte Gamper die Wiener Moderne als eine Moderne des Körpers, der von medizinischer wie von künstlerischer Seite Zuwendung erfuhr.

Christian Bauer, Kurator des Egon Schiele Museum Tulln und Gründungsdirektor der Landesgalerie Niederösterreich, näherte sich in seiner Präsentation dem Phänomen Erwin Dominik Osen an, zeichnete den Lebensweg des vielseitig talentierten, wenig greifbaren Bühnenbildners, Schauspielers, Regisseurs sowie Malers nach und analysierte Beispiele der Wechselwirkung seines Schaffens mit der Kunst Egon Schieles. Mithilfe von bislang unveröffentlichten Quellen, Dokumenten und Werken vermittelte Bauer das facettenreiche Bild einer Persönlichkeit, deren charismatische Wirkung bis heute ungebrochen ist.

Jane Kallir, Direktorin des Kallir Research Institute New York, erkundete in ihrem Vortrag „Reconfiguring Gender. Egon Schiele and the Gay Subculture“ wie Schieles expressionistischer Durchbruch von seinen Beziehungen zu den Künstlern Max Oppenheimer, der homosexuell war, und dem vermutlich bisexuellen Erwin Osen geprägt worden war. Kallir führte aus, wie es im frühen 20. Jahrhundert einerseits zu einer Verflüssigung von Gendernormen kam und wie sowohl Frauen als auch Homosexuelle sich für ihre Rechte einzusetzen begannen. Gleichzeitig wurde diese „Feminisierung“ der Gesellschaft als bedrohlich eingestuft. Kallir ging der Frage nach, wie sich Schieles Berührungspunkte mit der homosexuellen Subkultur in Wien auf sein Werk und seine Herangehensweise an das Thema der Geschlechtsidentität auswirkten.

In ihrem Beitrag “‘Dear Curator…‘: Correspondence as Care for Erwin Osen’s Lustknabe“ reflektierten Gemma Blackshaw, Kunsthistorikerin und Kuratorin, und Adam Kaasa, Architekturhistoriker*in und Künstler*in, Royal College of Art London, über das Konzept des Kuratierens im Sinn von „Care“ – der sorgfältigen Zuwendung zu und Obhut von Werken, Orten, Menschen, Geschichten und Vermächtnissen. Bezugnehmend auf die 2016 erschienene Abhandlung des/r Künstler*in Johanna Hedva und ausgehend von feministischer und queerer Theorie näherten sich Blackshaw und Kaasa Erwin Osens Darstellung eines/r Patient*in, Lustknabe (1915), die erstmals 2021 im Rahmen der von Gamper und Blackshaw kuratierten Fokusausstellung The Body Electric: Erwin Osen – Egon Schiele im Leopold Museum zu sehen war, in Form eines Briefdialogs an.

Der Schriftsteller, Kurator und Literaturwissenschaftler Stefan Kutzenberger hatte das Ziel, sich auf neuartige Weise mit dem schmalen lyrischen Werk Schieles auseinanderzusetzen. Ausgehend von der Annahme, dass Schieles Verse verschriftete Bilder seien, plante Kutzenberger in Kooperation mit dem in San Francisco beheimateten Open Austria Art + Tech Lab den Algorithmus DALL-E, der aus Textversatzstücken Bilder generiert, mit Zeilen aus Schieles expressionistischen Gedichten zu füttern und die Ergebnisse mit seinem tatsächlichen bildnerischen Werk zu vergleichen. Sowohl Corona-bedingte Reisebeschränkungen als auch Elon Musks aktueller Forschungsfokus auf das Abenteuer Raumfahrt verschoben die Realisierung des Projekts auf das kommende Jahr. Unter dem Titel „Die Blaue Dame im Grünen. Bilder aus dem Text“ präsentierte Kutzenberger den bisherigen Werdegang.

Schließlich berichteten Sandra Maria Dzialek, Restauratorin Leopold Museum und Karin Maierhofer, Restauratorin Wien Museum, über Erkenntnisse zu Gemälden Schieles aus restauratorischer Perspektive. Karin Maierhofer gewährte Einblicke in die Restaurierung, Maltechnik, Bildkomposition sowie Materialästhetik von Egon Schieles Gemälde Junge Mutter (1914), während Sandra Maria Dzialek den Fokus auf die Städtebilder Schieles aus der Sammlung des Leopold Museum legte. Mittels systematischer Bestandsaufnahme gab sie einen Überblick über den aktuellen Zustand der Werke und ihre technische Entstehung, von der Vorbereitung des Bildträgers bis hin zum fertigen Gemälde. Anhand des Gemäldes Krumau an der Moldau („Die Kleine Stadt“ IV) (1914) konnte sie darlegen, dass der Künstler Leinwände auch wiederverwendete: unter dem Städtebild liegt das lange verschollen geglaubte Frühwerk Weltwehmut (1910) verborgen.

Weitere Informationen zum 4. Egon Schiele-Symposium des Leopold Museum mit freundlicher Unterstützung des Kallir Research Institute, New York:
Deutsch (https://www.leopoldmuseum.org/egon-schiele-symposium/de)

Englisch (https://www.leopoldmuseum.org/egon-schiele-symposium/en)

Alle Vorträge können bis 12.12.2021 unter diesem Link (https://www.leopoldmuseum.org/egon-schiele-symposium/de)angesehen werden.

Pressekontakt:

Leopold Museum-Privatstiftung
Mag. Klaus Pokorny und Veronika Werkner, BA
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