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Jimmy Hartwig auf WELT zu Entlassung Jens Lehmanns: „Finde ganz toll, was Hertha BSC gleich für Konsequenzen gezogen hat… So was kann man nicht sagen“

Berlin (ots) – Jimmy Hartwig – ehemaliger Nationalspieler, DFB-Botschafter für Vielfalt begrüßte heute gegenüber dem Nachrichtensender WELT die Entscheidung des Berliner Fußballvereins Hertha BSC, sich von Jens Lehmann als Aufsichtsrat nach einer rassistischen Äußerung zu trennen.

Das Interview im Wortlaut

Fanny Fee Werther: Sie waren selbst Integrationsbotschafter für den Deutschen Fußballbund, und als Sie von dieser WhatsApp, ich habe gerade den Sachverhalt erklärt, als von dieser WhatsApp erfahren haben, was waren die ersten Gedanken, die Ihnen durch den Kopf geschossen sind?

Jimmy Hartwig: Der erste Gedanke ist, dass es so etwas nicht geben darf, dass ein ehemaliger Nationalspieler, ein Jens Lehmann, ein hervorragender Tormann, solche Äußerungen macht. Die sind unakzeptabel und ich finde ganz toll, dass Hertha BSC gleich die Konsequenzen gezogen hat und hat ihn von seinem Amt enthoben, weil so was kann man nicht sagen. Wir beim DFB, ich bin immer noch beim DFB, wir machen sehr viel in allen Landesverbänden, den Fußballklubs und kämpfen gegen den Rassismus an, und dann kommt ein ehemaliger Nationalspieler und beleidigt einen Ehemaligen in einer Art und Form. Das geht nicht zu machen. Das kann man auch nicht rechtfertigen. Und auch die Entschuldigung hätte ich sowieso nicht angenommen. Das ist keine Entschuldigung gewesen. Entschuldigen kann man sich immer, man muss sich aber vorher überlegen, was man für einen Blödsinn redet. Gerade im Rassismus-Thema.

Fanny Fee Werther: Und Sie sagen in einem Interview, der Rassismus im Fußball, der ist noch schlimmer geworden, ist heute schlimmer als zu der Zeit, als Sie noch aktiver Profi waren. Können Sie das uns erklären?

Jimmy Hartwig: Ja, ich hab nur gemeint, zu meiner Zeit war’s schon sehr schlimm gewesen. Ich bin zehn Jahre nach dem Krieg auf die Welt gekommen. (…) Die Menschen sind glaube ich vernünftiger geworden. Wir leben in einer globalen Welt. Wir reisen um die ganze Welt. Wir lernen viele Nationen kennen, viele Rassen kennen. Und trotzdem sind wir immer noch so in unseren Köpfen, immer noch den Rassismus ist drin. Immer schlimmer. Man sieht, die Pandemie tut auch einen Teil dazu beitragen. Die Menschen sind nur so auf sich noch fixiert. Niemand interessiert den anderen Menschen, wie er aussieht, was er tut, was er für Probleme hat. Das ist sehr schade, und deswegen wäre ich mein ganzes Leben lang, ich hab’s hier wieder betont. Solange ich lebe, werde ich gegen Rassismus kämpfen und versuchen, den Menschen das in den Kopf reinzuhämmern, dass es nicht darauf ankommt, wie jemand aussieht, ob er gelb ist, rot ist, schwarz ist. Nur der Mensch zählt. Man müsste mit Respekt auf die Menschen zugehen. Und ich glaube, das können wir bei den alten, entschuldigen Sie dieses Wort, bei den alten Knackern nicht mehr in den Kopf kriegen. Die jungen Leute müssen wir ansprechen, müssen in Schulen gehen. Wir müssen sagen, bereist die ganze Welt. Mensch, Leute, vermehret euch mit Rassen und ihr werdet sehen, das Leben wird viel, viel schöner.

Fanny Fee Werther: Und der Fußball hat ja eigentlich auch bewiesen, dass er eine Integrationskraft hat. Auch eben für junge Menschen. Trügt dieser Schein ein bisschen?

Jimmy Hartwig: Wie gesagt, es ist wie gesagt, die Pandemiezeit macht ein bisschen so, die jungen Leute können nicht mehr spielen. Sie werden jetzt gezwungen, zu Hause, die soziale Kompetenz fehlt jetzt mehr. Und jetzt müssen wir mehr nach einem Fußball, nach der Pandemie, noch mehr in den Sport reingehen. Ob das Fußball ist, Leichtathletik. Wir müssen mit den jungen Leuten reden, dass das Leben lebenswert ist, wenn man nicht einen Hass gegen andere Menschen, grollt und macht und tut. Wir müssen auf dem richtigen Weg weiter bleiben. Ich glaube, es ist ein weiter Weg. Es ist ein weiter Weg in die Köpfe dieser Menschen. Aber es wird sich lohnen, diesen Weg weiterzugehen. Und ich rufe alle Menschen auf. Kämpfen Sie gegen Rassismus, gegen alle Minderheiten, die es gibt, und tun Sie Ihr Gehirn einschalten. Das Leben ist einfach nur lebenswert.

Fanny Fee Werther: Sie haben vorhin schon die Corona-Pandemie angesprochen. Trotzdem muss man sagen: Rassismusvorfälle, die gab es ja leider schon davor. Nicht nur in der Bundesliga, auch im europäischen Fußball. Es wurden sogar Spiele abgebrochen. Woher kommt diese massive Zuspitzung, also diese Anfeindungen, dieser Hass?

Jimmy Hartwig: Wissen Sie, es gibt ja immer diese diese Menschensache, wir reden hier von Statistik, wir haben jahrelang Statistiken aufgestellt. Wenn ich das Wort Statistik höre, kriege ich noch grauere Haare, wie ich jetzt schon habe. Statistiken. Wir müssen auf die Menschen zugehen. Wir haben vergessen, Dialoge zu führen, haben wirklich vergessen, in Schulen zu gehen, Dialoge mit Menschen zu führen. Die wichtigsten Flüchtlingswellen, die wir bekommen haben, waren Teil und Teil mit. Die Leute haben geschimpft, wir brauchen diese Flüchtlinge nicht. Aber jeder hat, glaube ich, vergessen hier in Deutschland, dass wir vor 70 Jahren einen Krieg hatten und viele Menschen vor Deutschen auf der Flucht gewesen sind. Wir waren dankbar gewesen, dass wir untergekommen sind. Das müssen wir im Kopf haben. Lasst doch die Menschen hier rüber kommen. Die sind in Kriegsgebieten, die kommen aus Kriegsgebieten rüber. Die wollen hier in Ruhe ihr Leben machen. Keiner verlässt doch sein Land, weil er Spaß an der Freud hat, ein Land zu verlassen, mit seiner Familie aufgibt. Daran müssen wir anknüpfen. Wir müssen sie herzlich, herzlich willkommen heißen und sagen, mir ist es wirklich wurschtegal, was du für eine Hautfarbe hast. Wir respektieren dich so, wie du bist. Natürlich gibt es nicht immer bloß nette Menschen. Es gibt auch schwarze Schafe. Aber die gibt’s nicht bloß bei den Flüchtlingen, bei den Dunkelhäutigen oder bei denen, wie sie aussehen. Das gibt’s auch bei uns Deutschen, viele schwarze Schafe. Und diesen Konsens müssen wir rüberbringen in Schulen, und einfach zu sagen, wir versuchen mit den Menschen zu reden, mit den Menschen zu artikulieren, den Menschen zu verstehen. Und dann sind wir, glaube ich, es ist ein harter Weg. Aber ich glaube, wir alle, Sie, wir alle. Wir sind gefragt, den Leuten die Hand zu reichen und zu sagen: Pass auf! Schalte deine Birne ein, und dann ist alles gut.

Fanny Fee Werther: Sie sind auch Teil einer Dokumentation mit dem Titel ‚Schwarze Adler‘. Und diese Dokumentation soll eben auf genau dieses Thema aufmerksam machen, auf den Rassismus im deutschen Fußball. Wie wichtig ist denn dieser Film?

Jimmy Hartwig: Dieser Film war, das ist eine Herzensangelegenheit. Ich war ganz glücklich, dass sie mich als Protagonisten mitgenommen haben in den Film rein. Jeder, jeder von diesen Protagonisten hat endlich mal gezeigt, wie man wirklich fühlt, wenn man beleidigt wird. Die meisten sagen, naja, das war ja nicht so schlimm. Doch, das ist schlimm, weil man frisst es in sich rein. Aber da konntest, von dem Film konntest du dich mal lösen. Du konntest mal dein Inneres nach außen kehren. Dass die Leute verstehen, wie jemand fühlt, wenn er rassistisch beleidigt wird. Das ist, es geht ja schon klein los. Als kleiner Junge haben sie mir über den Kopf gestrichen, da hatte ich noch Riesenhaare gehabt. Da hieß es immer, ach guck mal, der kleine William, hat der aber schöne Haare. Und so schön braun ist er auch! Diese Sprüche braucht doch kein Mensch mehr. Ich musste, bloß weil angesprochen, weil ich schöne Haare habe und braun bin. Und endlich ist ein Film gemacht, sehr gut gemacht worden, wo man in Schulen zeigen kann, in Kinos zeigen kann, um den Leuten zu zeigen: So tickt ein Mensch, der ein bisschen anders aussieht wie die Normalbürger. Normal – was ist ein Normalbürger? Schon wieder so eine Floskel von mir. Aber wie gesagt, der Film ist absolut Spitzenklasse. Absolut Spitzenklasse.

Fanny Fee Werther: Sagt Jimmy Hartwig, ein leidenschaftlicher Appell ein leidenschaftliches Gespräch. Ich danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie sich heute Zeit genommen haben.

Jimmy Hartwig: Ich habe mich zu bedanken für das nette Interview. Und ich wünsche allen Leuten Gesundheit und macht weiter so! Danke.

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Pressekontakt:

Solveig Zilly
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